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Die sanfteste Hilfe ist immer die Beste

Gangpferdereiterin und -ausbilderin Isabel Steiner (Ritterin Bent Branderup Akademische Reitkunst)

isabel lamour pirouette kl Isabel auf L'amour

Alle Augen ruhen auf dem Fuchshengst. Ausdrucksvoll und taktklar töltet er durch die lichtdurchflutete Reithalle. Die Reiterin sitzt entspannt auf seinem Rücken, ein glückliches Lächeln umspielt ihre Mundwinkel. Es ist offensichtlich, dass es sie keinerlei Anstrengung kostet, ihr Pferd in allen Seitengängen in Schritt, Tölt und Galopp vorzustellen. Expression wird einhändig blank auf Kandare präsentiert, die Zügel hängen den gesamten Ritt über durch. Die Kommunikation zwischen Isabel und ihrem Pferd bedarf keiner sekundären Hilfen, wie Schenkel oder Gebiss, allein kleine Informationen über den Reitersitz genügen. Unter den beeindruckten Zuschauern befindet sich auch der Lehrer und Ausbilder der Reiterin – Bent Branderup, Gründer der Akademischen Reitkunst. Gelegentlich ist ein zustimmendes „mh“ vom dänischen Reitmeister zu vernehmen, ansonsten schweigt er genießend – ein untrügliches Zeichen für volle Zufriedenheit.

Isabel Steiner ist passionierte und sehr erfolgreiche (Gangpferde-)Reiterin. Seit über zwanzig Jahren ist sie Schülerin von Bent Branderup und außerdem Ritter dessen Akademischer Reitkunst. Mittlerweile erreichte sie mehr als...

zehn Europameistertitel des PPE (Paso-Peruano-Verband Europa) und ist leidenschaftliche Paso-Züchterin. Sie bildet nicht nur die selbstgezogenen, sondern auch Pferde verschiedener anderer Rassen auf ihrem Hof in Ballmertshofen, einem beschaulichen Örtchen an den Ausläufern der Schwäbischen Alb, selbst aus.

Die Akademische Reitkunst basiert auf dem Wissen der alten Reitmeister, angefangen von Xenophon, Pluvinel, Guérinière, Newcastle bis zu Steinbrecht, um nur die bekanntesten aufzuzählen. Bent Branderups Lebensziel ist es, das Wissen der alten Meister wiederzubeleben und ihre Arbeit zu erklären. Seit Jahrzehnten widmet er seine Zeit der Reitkunst, einer nie endenden Reise in die Arbeit der alten Meister und die Arbeit mit seinen eigenen Pferden und Schülern. Bents Leitspruch „Zwei Geister, die wollen, was zwei Körper können“ schließt ein, dass er Pferde nicht nur physisch, sondern auch mental trainiert. Der überlegte Gebrauch gymnastizierender Übungen sollte das Pferd aufbauen und es gesund erhalten. Die Akademische Reitkunst beginnt mit dem Bewusstsein, dass das Pferd ein wertvolles Lebewesen, ein Lebenspartner ist. Eine Kommunikation zwischen Pferd und Mensch aufzubauen, wird durch stetiges Sammeln von Wissen und bestimmte, sich stets verfeinernde, Hilfen erreicht. „Die sanfteste Hilfe ist immer die Beste“, erläutert Bent. Das Ziel ist, sowohl körperlich als auch geistig dem Pferd so nahe zu kommen, dass Zuschauer den Eindruck eines Tanzpaares erhalten. Der Reiter übernimmt die Verantwortung, so dass das Pferd Vertrauen in den Reiter und dessen Führung hat. Im Endeffekt lernt das Pferd, seinen Körper so zu bewegen, dass es den Reiter gesund und balanciert tragen kann.

Auf Kursen der Akademischen Reitkunst ist eine erstaunliche Rassevielfalt der Teilnehmerpferde zu beobachten. Auch immer wieder Isländer (Übrigens hat Bent in jungen Jahren selbst lange als Bereiter in Island gearbeitet.). Hier ist jeder willkommen, gleich welcher Größe, Ausbildungsniveau oder körperlicher Voraussetzungen. Es finden sich auch Pferde, die aufgrund von Problemen im Bewegungsapparat als nicht mehr nutzbar galten. Durch die sich am Pferd orientierende und mit Bodenarbeit beginnende Herangehensweise nun aber wieder reitbar sind. Interessant sind auch Schilderungen von Pferden, deren Hufe stets ungleichmäßig bzw. schief abgenutzt waren. Im Laufe der Arbeit nach Bent Branderups Anleitungen schließlich aber gleichmäßige Abnutzungen aufwiesen. Die Lektionen sind kein Selbstzweck. Sie ermöglichen die Funktionalität der Körperteile zu fördern und eine gemeinsame Kommunikation aufzubauen.

In der akademischen Herangehensweise wird das Pferd zunächst aus verschiedenen Positionen mit Kappzaum vom Boden aus gearbeitet. Seine Bewegungsmuster und körperlichen Defizite können auf diese Weise ohne Reitergewicht analysiert und durch gymnastizierende Übungen positiv beeinflusst werden. Dazu wird das Pferd zuerst gelöst, so dass es keine (Ver-)Spannung mehr in der unteren Muskelkette, Genick und Widerrist hat. Daraufhin übt man vor ihm stehend mit sanften Bewegungen die Biegung in beide Richtungen. Nachdem dies im Stand erarbeitet wurde, macht der Ausbilder in der Schrittbewegung weiter. Ziel ist, dass die natürliche Bewegung, verursacht durch die Bewegung der Hinterbeine, über das Becken durch die Wirbelsäule bis zum Kopf ungestört „durch das Pferd“ fließen kann. Dabei zieht Bent oft zur Veranschaulichung das Beispiel eines Zuges mit mehreren Wagons heran: die Wirbelkörper werden dabei durch die Wagons dargestellt, die sich nicht verkanten sollen. Verkanten sie, kommt die Bewegung nicht bei den dahinter liegenden Wagons an. Sind sie harmonisch aufeinander ausgerichtet, kann die Bewegung vom Anfang bis zum Ende des Zuges gleichmäßig weiterfließen. Dabei wird jedes Detail in Betracht gezogen, sei es die Position der Kieferäste, das Auffußen der Hufe oder minimale Drehungen in Gelenken.

Das am Boden gelernte kann aus der Reiterposition schließlich spielend übernommen werden, beispielsweise die unterschiedlichen Positionen der Gertenhaltung oder die Signale am Kappzaum. Auf dem Weg, das Pferd lediglich über den Sitz reiten zu können, sind zur Verdeutlichung nicht nur Ober- und Unterschenkel sowie Zügel im Repertoire der akademischen Reiter. Auch die Stimme oder ganz unkonventionell auch mal die Hand selbst, die man zum Beispiel an der Pferdeschulter anlegen kann, um das Gewünschte genauer zu erklären.

Zentraler Moment dabei ist der ausbalancierte und unverkrampfte Sitz des Reiters. Bent sieht die Entwicklung des Sitzes in drei Stufen: 1. Oben bleiben durch Balance. 2. So der Bewegung des Pferdekörpers folgen können, dass der Balancepunkt von Pferd und Reiter übereinstimmt – dabei merkt er an, dass zahlreiche Springreiter in diesem Sinne akademischer sitzen als so mancher Dressurreiter. 3. Die Bewegung, die das Pferd machen soll geht vom Reiterkörper aus. Er stellt außerdem klar, dass die meisten Stellungsfehler, Sitzfehler sind.

Unter die Pferdebesitzer kam Isabel zunächst durch den Kauf der Isländerstute Skjona, die als Familienpferd für viel Spaß und Abwechslung für Groß und Klein sorgte. Ungefähr zwei Jahre später erweiterte sich die Zahl der pferdigen Familienmitglieder um den Aegidienbergerwallach Skuggi. Mit ihm begann die Passion für die Akademische Reitkunst. „Nachdem wir eine Weile durch Wälder und Wiesen gestreift waren, wollten wir doch wieder etwas lernen. Da fiel uns das Buch von Bent Branderup in die Hände. Als der nächste Kurs ausgeschrieben war, hielt uns nichts mehr und wir fuhren ins ferne Lüneburg, um zu schauen, ob diese Art der Reiterei etwas für uns wäre“, erinnert sich Isabel. „Skuggi konnte wunderbar irgendwie in einem Gangmix aus Trab, Tölt und Pass durch die Halle jagen, im Schritt den Sturen spielen und im Passgalopp allen Teilnehmern das Fürchten lehren... Bent hatte nicht viel Hoffnung mit uns! Aber wir hatten Blut geleckt und der Eifer ließ uns nicht ruhen. Da es uns aber viel zu anstrengend war für Lehrgänge immer so weit zu fahren, beschlossen wir selber solche Seminare anzubieten. Nun konnten wir also zwei- bis dreimal im Jahr am Unterricht teilnehmen und Skuggi avancierte vom Schrecken aller zum ersten Tölter, der auf blanker Kandare alle Seitengänge im Schritt, Trab und Tölt weich und über den Rücken mit schön gewölbtem Hals locker am Zügel stehend, gehen konnte. Auch die Seitengänge im Galopp und Pirouetten kamen später hinzu.“

Im Laufe der Zeit kamen Pferde unterschiedlicher Rassen hinzu und auch die Paso Peruano Zucht begann. So bildete Isabel über Jahre hinweg verschiedenste Pferde aus. Ihre Ritterprüfung legte sie im September 2002, die Piaffprüfung Anfang Juli 2005 ab.

isabel lamour levade

(Isabel auf L'amour in der Levade)

Ihr eigener reiterlicher Werdegang ließ sie außerdem den Filzsattel entwickeln (www.filzsattel.de ). Lange suchte sie einen Sattel, der es möglich macht, jede Bewegung des Pferdes wahrzunehmen und es gleichzeitig ausreichend vor den Sitzbeinhöckern des Reiters zu schützen. Weil sie nichts Vergleichbares auf dem Markt fand, entwickelte sie selbst einen leichten, bequemen, flexiblen und anpassungsfähigen Sattel, der für Bahn und Gelände, Dressur und Freizeit geeignet ist. Er besteht aus einer speziellen Kombination verschiedener Filzschichten, Schäumen und Polstern, so dass er auch ohne Baum und Kopfeisen eine sattelähnliche Sitzfläche aufweist. Dies bringt den Reiter in eine Position, in der das Bein locker fällt und die Hüfte entspannt den Bewegungen des Pferdes folgen kann. Die spezielle Konstruktion entlastet die Wirbelsäule des Pferdes und hält diese frei. Die entsprechend ausgearbeitete Kammer sorgt dafür, dass auch Pferde mit sehr hohem Widerrist mit diesem Sattel gut geritten werden können. Auf Steigbügel wurde dabei bewusst verzichtet, um punktuelle Belastungen zu verhindern.

Ihre weitreichende Erfahrung in der Ausbildung von Pferd und Reiter kommt nun ihren eigenen Schülern zugute. Mit ihrer einmaligen Art, das Fühlen der Pferdebewegung zu vermitteln, vermag sie jedem zu mehr Harmonie und Verständnis für das Pferd zu helfen. Ihr sympathischer Unterrichtsstil ist geprägt von ihrer freundlichen und humorvollen Art. Dabei ist sie immer, sowohl für Reiter als auch Pferd, sehr einfühlsam und empathisch. Ihr Leitspruch lautet „Wir möchten auch mit 80 noch reiten können“ – entspannt also, ohne Krafteinsatz. Die Basis dafür, der ausbalancierte Sitz des Reiters, versteht sie ihren Schülern in eindrücklichen Bildern und praktischen Übungen – mit und ohne Pferd – zu vermitteln.

Wir sind froh am 10.-11.8.19 einen Reitkurs mit Isabel Steiner anbieten zu können: „Akademische Reitkunst mit Gangpferden – Intuitives Reiten und Balance“ in Arzfeld (Westeifel) – Infos bei Vicky Lampe Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! und www.jipf.de . Das Seminar vermittelt die Grundlagen der Akademischen Bodenarbeit und Reitkunst in Theorie und Praxis und ist für jede Reitweise, jeden Ausbildungsstand, Einsteiger, Umsteiger oder auch Fortgeschrittene geeignet. Jeder wird da abgeholt wo er steht.